Argument 7
Green Finance:
Wie man das Risiko
im Finanzsektor verringert und ihn nachhaltiger macht
Nachhaltige Finanzprodukte können die sozial-ökologische Transformation beschleunigen. Allerdings fehlen bislang eine umfassende Definition und verbindliche Kriterien für nachhaltige Anlagen. Dies soll sich mit der EU-Taxonomie nun ändern. Um Green Finance zu fördern, muss die Taxonomie Teil einer Transformationsstrategie sein, der Anleger*innen, Institute und Banken vertrauen können.
Green Finance steht für Finanzierungsinstrumente, die in grüne Projekte investieren.¹ Mit der Mobilisierung privaten Kapitals soll die grüne Transformation umgesetzt und beschleunigt werden. Diskutiert wird auch, wie der Finanzsektor reguliert werden muss, um gerechter zu sein. Denn viele Ökonom*innen beklagen ein Aufblähen des Finanzsektors gegenüber der Realwirtschaft. Anteil an dieser Entwicklung haben u.a. Finanzprodukte wie „Futures“, die beispielsweise auf steigende Preise und auf Preisschwankungen bei Agrarrohstoffen wetten. Diese Spekulationen haben das Potenzial, Krisen erheblich zu verstärken. So wurde die Spekulation auf den Weltagrarmärkten als eine der Hauptursachen der globalen Ernährungskrise 2008 identifiziert.² Wirtschaftsexpert*innen wie der langjährige Chefökonom der Financial Times Deutschland, Thomas Fricke, fordern deshalb eine stärkere Regulierung und deutliche Verkleinerung des Finanzsektors.³
Investitionen mit ökologischen und sozialen Renditen
Die wichtigsten Akteure von Green Finance sind Banken, Investoren sowie internationale Finanzinstitutionen wie Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Der Fair Finance Guide Deutschland hat u.a. 19 Geldinstitute überprüft, inwieweit sie Menschen- und Umweltrechte beachten.⁴ Auch viele institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Kommunen, Länder oder Stiftungen wollen lieber dort investieren, wo dieses Investment auch ökologische oder sozialen Rendite erwirtschaftet. Seit 2020 gibt der Bund beispielsweise Green Bonds aus.⁵ Und auch Privatpersonen interessieren sich zunehmend für nachhaltige Anlageformen wie nachhaltige Indexfonds (ETF).⁶
Kriterien nachhaltiger Finanzierung: gesucht
Allerdings gibt es noch keinen umfassenden und rechtlich verbindlichen Kriterienkatalog, der definiert, was eine „nachhaltige“ Finanzierung ist. Orientierung bieten die freiwilligen Richtlinien der International Capital Market Association (ICMA)⁷ oder ESG-Ratings.⁸ Mit der im Jahr 2020 in Kraft getretenen EU-Taxonomie sollen nun schrittweise verbindliche ökologische und soziale Kriterien fixiert werden.⁹ Die EU-Taxonomie soll den ressourceneffizienten Umbau der Wirtschaft beschleunigen und Finanzströme in grüne Wirtschaftsaktivitäten lenken. Unternehmen, Investor*innen und politische Entscheidungsträger*innen soll damit ein eindeutiger Kriterienkatalog an die Hand gegeben werden, um die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu beurteilen. Anleger*innen sollen auf diese Weise vor „Greenwashing“ geschützt und Investitionen sicherer werden.
Allerdings ist umstritten, welche Kriterien in die Taxonomie aufgenommen werden. So hatte sich Deutschland 2022 gegen die Aufnahme der Atomkraft in das Taxonomie-System ausgesprochen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Durch die Aufnahme von Kernenergie und auch Gas hat die Glaubwürdigkeit der Taxonomie aus Sicht vieler Kritiker* innen schweren Schaden genommen. Denn als Teil einer Transformationsstrategie kann sie Green Finance nur dann befördern, wenn Anleger*innen, Institute und Banken darauf vertrauen können, dass die Kriterien auf den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft einzahlen.
Mehr zum Argument
Green Finance
Wie man in Zukunft investiert. Ideen für eine echte nachhaltige Finanzpolitik.
Quellennachweise
- Gabler Banklexikon (2023): Green Finance (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - Windfuhr, Michael (2009): Ursachen und Folgen der Nahrungsmittelkrise in: Social Watch Report Deutschland 2009 (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - Forum New Economy (2023): Finanzwelt erneuern (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - Fair Finance Guide Deutschland (2023): (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - Bundesministerium der Finanzen (2023): Grüne Bundeswertpapiere (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - Umweltbank (2023): Grüne ETFs auf dem Prüfstand (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - International Capital Market Association (2023): (aufgerufen 23.10.23)
→ Zur Quelle - Finanzpedia (2023): Nachhaltigkeitsratings: Welche ESG Ratings sind kostenlos abrufbar? (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle - European Commission (2023): Platform on Sustainable Finance (aufgerufen 14.06.23)
→ Zur Quelle
Alle 16 Argumente in der Übersicht
1.
Von Erfolgen und Krisen: Deutschland vor entscheidenden Weichenstellungen
2.
Gestaltungsräume nutzen: Warum müssen ökonomisch, ökologisch, sozial und demokratisch zusammen gedacht (und gehandelt) werden?
3.
Zwischen BIP und ökologischem Fußabdruck: Die Debatte um die Messung von Wohlstand
4.
Die Energiewende: Chancen für Klimaschutz, Sicherheit und Wirtschaft
5.
Die wahren Kosten: CO2-Bepreisung und sozialer Ausgleich
6.
Kreislaufwirtschaft: Das Konzept für eine nachhaltige und regenerative Wirtschaft
7.
Green Finance: Wie man das Risiko im Finanzsektor verringert und ihn nachhaltiger macht
8.
Strukturwandel 2.0: Die Transformation zur nachhaltigen Wirtschaft
9.
Beispiel Autoindustrie: Wie kann die Transformation einer Schlüsselbranche gelingen?
10.
Beispiel Stahlindustrie: Wie kann die Transformation der sehr energieintensiven Stahlproduktion gelingen?
11.
Beispiel Landwirtschaft: Wie kann unsere Ernährung nachhaltig gesichert werden?
12.
Wertschöpfung: Die Verbindung der Region mit dem globalen Gemeinwohl
13.
Arbeitsmarkt: Wie ist die Lage?
14.
Deutscher Sozialstaat: Wie gewährleisten wir soziale Sicherheit?
15.
Daseinsvorsorge: Öffentliche Infrastrukturen für ein Wirtschaften mit Zukunft
16.
Digitalisierung: Risiken im Auge behalten, Chancen zukunftsträchtig fördern