Argument 8

Strukturwandel 2.0: Die Transformation zur nachhaltigen Wirtschaft

Wir stehen vor einem grundlegenden Strukturwandel, vergleichbar mit der ersten Industrialisierung. Die Herausforderungen sind komplex: Neue Industrien entstehen, alte verschwinden. Wohlstand wird neu verteilt. Menschen brauchen neue Perspektiven. Wie können wir diese Prozesse bewältigen?

 

Die Transformation wird in vielen Regionen zu einem grundlegenden Strukturwandel führen, vergleichbar mit der ersten Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Industriezweige geraten durch geopolitische Verschiebungen unter Druck. Zugleich müssen sie ihre Produktionsweise klimagerecht umbauen und neue Geschäftszweige entwickeln. Ganze Industriezweige machen sich auf den Weg, wie beispielsweise der Autohersteller VW, der seine Zukunft als Mobilitätsdienstleister sieht. Oder die maßgeblich auf fossilen und endlichen Rohstoffen basierende Chemieindustrie: Sie will sich künftig an der Bioökonomie ausrichten, wodurch wiederum unsere Landwirtschaft neben der Ernährung und Energieversorgung ein drittes Standbein erhalten könnte.

Windstrom = standortentscheidend

Neue Industrien an neuen Standorten entstehen, alte Industrien werden verschwinden. Der Wohlstand wird in Deutschland neu verteilt. Schon heute ist die Verfügbarkeit von günstigem Windstrom ein wichtiges Kriterium für neue Industrieansiedlungen. Hinzu kommt der demografische Wandel, der den Fachkräftemangel in naher Zukunft noch weiter verschärfen wird. Zugleich beschleunigt sich die Digitalisierung aller Lebensbereiche weiter. Noch gar nicht absehbar sind die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt und den Arbeitsmarkt.¹ 

Neue Perspektiven durch Aus- und Weiterbildung

Um diese enormen Herausforderungen zu bewältigen, muss daher an vielen Ebenen angesetzt werden: Digitale Infrastrukturen müssen ausgebaut, innovative Unternehmen müssen unterstützt und Hochschulen sowie Forschungsinstitute angesiedelt und mit Innovatoren vernetzt werden. Um den Fachkräftemangel zu meistern, braucht es Zuwanderung und deutlich weniger Schulabbrecher*innen. Zugleich müssen Menschen aus- und weitergebildet werden, damit sie neue Perspektiven für eine sinnstiftende Arbeit haben.²

Beispiel Lausitz: Strukturwandel und Verteilungskämpfen

Die Komplexität des Strukturwandels lässt sich am Beispiel der Lausitz ablesen, die bisher wirtschaftlich vor allem vom Braunkohletagebau und damit verbundener Industrien abhängig ist: Zwar sagen 65 Prozent der befragten Lausitzer*innen, dass ein tiefgreifender Strukturwandel notwendig ist, aber nur wenige nehmen den Prozess als schnell (27 Prozent) und transparent (35 Prozent) wahr.³ 

Zur Gestaltung des Strukturwandels haben Bund und Länder umfangreiche Fördermilliarden zur Verfügung gestellt. Gestritten wird jedoch, wohin die Mittel fließen dürfen. In der Lausitz will die Kommunalpolitik darauf mehr Einfluss nehmen und hat sich zur „Lausitzrunde“ zusammengeschlossen. Sie und andere Befürworter*innen der „Kernbetroffenheit“ argumentieren, dass das 40-Milliarden-Euro-Paket mit dem Versprechen gestartet sei, die Kraftwerksstandorte und Tagebau-Anrainer für den Kohleausstieg zu entschädigen. Dem wird entgegengehalten, dass Investitionen der gesamten Region zugutekämen. Aber was gehört zur Region? Profitiert die Lausitz beispielsweise von der Ansiedlung der Außenstelle des Robert-Koch-Instituts im Berlin-nahen Wildau? Und was ist relevant für den Strukturwandel? Gehören neue Kitaplätze dazu oder werden mit den Geldern für den Strukturwandel Projekte finanziert, die man ohnehin in der Schublade hatte, wie das ifo-Institut bemängelt?⁴ Das Beispiel Lausitz zeigt, dass die Transformation, auch bei großer grundsätzlicher Zustimmung, in der Praxis mit harten Auseinandersetzungen und Verteilungskämpfen verbunden ist.

Mehr zum Argument

Ohne Kreislaufwirtschaft ist die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht machbar.

Nachhaltiges Wirtschaften – konsequent im Kreislauf, am Beispiel Abfall.

Quellennachweise

  1. Deutscher Bundestag (2023): Auswirkung von KI auf den Arbeitsmarkt noch nicht absehbar (aufgerufen 20.04.23)
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  2. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Fachkräftestrategie (aufgerufen 20.04.23)
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  3. Dr. Jörg Heidig (2022): Lausitzmonitor, Umfrage 2022 (aufgerufen 20.04.23)
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  4. Joachim Ragnitz / Ifo Institut (2020): Anmerkungen zur Umsetzung der Hilfen für die Flankierung des Kohleausstiegs in den ostdeutschen Bundesländern (aufgerufen 20.04.23)
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