Argument 12

Wertschöpfung:
Die Verbindung der Region mit dem globalen Gemeinwohl

Um regionale Wege zu stärken und globale Lösungen zu finden, müssen wir unsere Wirtschaftsstrukturen am globalen Gemeinwohl ausrichten. Etwa 70 Prozent des Welthandels entfallen auf globale Wertschöpfungsketten. Daher ist es wichtig, den sozialen und ökologischen Rucksack der Produkte zu reduzieren. Das Lieferkettengesetz schafft mehr Transparenz. Mit welchen Konzepten können Regionalität und lokale Wertschöpfung gefördert werden?

Etwa 70 Prozent des Welthandels entfallen auf globale Wertschöpfungsketten, bei denen die Produktion und Wertschöpfung international aufgeteilt wird. Das bedeutet, dass viele Produkte einen unsichtbaren sozialen und ökologischen „Rucksack“ tragen, da sie über weite Strecken transportiert werden. So kann ein einfaches T-Shirt auf seiner Herstellungsreise etwa 35.000 Kilometer zurücklegen. Durch mehr Transparenz in den Lieferketten können wir den Verbrauchern ermöglichen, informierte Entscheidungen zu treffen und Produkte zu wählen, die unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt wurden.

Sozialstandards und Umweltschutz durch Lieferkettengesetze

Ein erster Schritt in diese Richtung ist das Lieferkettengesetz, das in Deutschland seit Jahresbeginn 2023 in Kraft ist und das für mehr Transparenz über Produktions- und Handelswege sorgt.¹ Ähnliche Gesetze existieren bereits in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden. Das Lieferkettengesetz ist jedoch vorerst nur für große Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern bindend. Die Kampagne #yesEUcan² fordert deshalb ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, das noch darüber hinausgehen soll. Die OECD hat daneben Leitsätze entwickelt, um die Achtung der Menschenrechte, die Einhaltung von Sozialstandards und den Umweltschutz im Welthandel über die gesamte Lieferkette zu fördern.³

Mehr regionale Wirtschaftskreisläufe

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie viel Regionalität möglich und wie viel Globalität notwendig ist. Die verstärkte Debatte über die Rückverlagerung von Produktion nach Europa oder Deutschland ist Ergebnis der erlebten Anfälligkeit globaler Lieferketten. Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie und der Suez-Kanal-Unfall haben gezeigt, wie schnell die weltweite Versorgung gestört werden kann. Insbesondere bei wichtigen Gütern wie Medikamenten und medizinischer Ausrüstung ist eine gewisse regionale Produktionssicherheit von großer Bedeutung.

 
Diskutiert wird zudem, dass wir auch an unsere Handelspartner*innen die gleichen sozialen, ökologischen und demokratischen Standards stellen sollten wie an uns. Ebenso ob nicht weniger Importe und mehr regionale Wirtschaftskreisläufe helfen, dass wir weniger von Exporten mit „problematischen“ Staaten abhängig sind.

Chancen für nachhaltige Entwicklung durch regionale Wertschöpfung

Auch im Kontext der Stadt-Land-Beziehungen gewinnt der Begriff „Regionalität“ an Bedeutung. Regionalität steht für kurze Wertschöpfungsketten und eine enge Verbindung zwischen Produzent*innen und Verbraucher*innen. In Bezug auf die Lebensmittel-Nahversorgung gibt es bereits verschiedene Labels, die den Fokus auf regionale Produkte legen. Dazu zählen beispielsweise „Von hier“ in Berlin/Brandenburg oder „Slow Food“. Diese Ansätze bieten Chancen für eine nachhaltige Entwicklung, indem sie die regionale Wertschöpfung und ökologische Landwirtschaft fördern.

Ein weiteres Beispiel ist das Projekt KOPOS, das in Brandenburg sowie in der Region Freiburg konkrete Maßnahmen ergreift, um durch nachhaltige Landnutzung und Nahrungsversorgung im Stadt-Land-Verbund regionale Produktion und Vermarktung zu fördern.⁴ Solche Projekte zeigen, dass regionale Ansätze positive Effekte für die lokale Wirtschaft und Umwelt haben können.

Zugleich global und regional denken und handeln

Es ist jedoch wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der sowohl Regionalität als auch Globalität berücksichtigt. Regionale Wege sollten gestärkt werden, um lokale Bedürfnisse zu erfüllen, die ökologische Landwirtschaft zu fördern und die regionale Wertschöpfung zu steigern. Gleichzeitig müssen wir global denken und handeln, um gemeinsam globale Herausforderungen wie den Klimawandel und soziale Ungerechtigkeiten anzugehen. Eine enge Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, einschließlich der Einführung eines EU-Lieferkettengesetzes, kann dazu beitragen, globale Standards und Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette zu fördern.

Mehr zum Argument

Kurze Wege

Die Verbindung der Region mit dem globalen Gemeinwohl.

Quellennachweise

  1. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2023): Menschenrechte schützen. Das Lieferkettengesetz (aufgerufen 19.06.23)
    → Zur Quelle
  2. Germanwatch e.V. (2023): Wieso, weshalb, darum (aufgerufen 19.06.23)
    → Zur Quelle
  3. OECD (2023): Für unternehmerische Verantwortung Förderung nachhaltiger Lieferketten (aufgerufen 19.06.23)
    → Zur Quelle
  4. KOPOS (2023): Neue Kooperations- und Poolingmodelle für nachhaltige Landnutzung und Nahrungsversorgung im Stadt-Land-Verbund (aufgerufen 19.06.23)
    → Zur Quelle
Quellen anzeigen